Bis ein junger Weinstock seine endgültige Gestalt und volle Grösse erreicht hat, muss er 3 bis 4 Jahre lang gepflegt und geschnitten werden. Der winterliche Rebschnitt ist für die erfolgreiche Ernte des kommenden Herbstes von entscheidender Bedeutung. Über die Qualität und Menge der kommenden Ernte entscheidet in erster Linie der Rebschnitt. Die Wintermonate im Rebberg Der Winzer nutzt die kalte Jahreszeit aber auch für andere wichtige Aufgaben: Neben den regelmässigen Arbeiten und Kontrollgängen im Weinkeller werden Gerätschaften, Werkzeuge und Maschinen instand gestellt. Eventuell im Herbst nicht zu Ende geführte Pflügarbeiten können jetzt nachgeholt werden. Der Rebschnitt Ihre jeweilige Gestalt erhält die Pflanze durch den Rebschnitt, bei dem ein Teil des Holzes in den Wintermonaten, bevor der Saft in der Pflanze aufsteigt, abgeschnitten wird. Der Rebschnitt kann, je nach Form, zu einer Ertragssteigerung qualitativer oder quantitativer Art führen. Denn das ausgiebige Wurzelwerk versorgt eine durch den Schnitt verkleinerte Rebpflanze optimal mit Nährstoffen und Feuchtigkeit. Sorgfalt und Können Jeder Rebschnitt ist das Resultat reiflicher Überlegung, hängen doch Ertrag und Qualität nicht nur des kommenden Jahrganges, sondern aller weiteren in hohem Mass von Erfahrung und Können ab. Der Rebbauer beobachtet Holz und Wuchs eines jeden Stockes, und es wird deutlich, wie treffend die Bezeichnung «Reberziehung» für diese Tätigkeit ist. Denn es sind die Winterknospen, die das weitere Schicksal des Rebstocks in sich tragen. Ein falscher Rebschnitt lässt sich, wenn überhaupt, meist erst in den folgenden Jahren korrigieren. Schlafende Augen Das Grundprinzip bei der Erhaltung der Erziehungsform besteht im Rebschnitt: Die Tragelemente der vergangenen Vegetationsperiode, die jetzt als zweijähriges Holz keine Knospen mehr tragen, sind so wegzuschneiden, dass jeweils eine ihrer Knospen tragenden Verzweigungen stehen bleibt. Auf dieser schiessen in der nächsten Periode die neuen Äste aus. Der Rebbauer nennt die Knospen, die im letzten Frühjahr nicht geöffnet und später von Rinde überwachsen wurden, «schlafende Augen». Aus ihnen bilden sich dann im nächsten Wachstumszyklus die neuen, Trauben tragenden Sommertriebe. Rebschnitt als Ausgleich von Stärke und Schwäche Die wahre Kunst im Rebschnitt liegt aber vor allem im richtigen Mass. Der Rebbauer beachtet die Länge der Triebe, die Qualität des Holzes und erinnert sich an den letzten Ernteertrag. So werden geschwächte Stöcke kürzer geschnitten, damit sie sich im nächsten Sommer bei geringerer Wuchsbelastung erholen können. Bei kräftigeren Stöcken belässt er so viele Knospen, als diese zu fruchtbaren Trieben auswachsen lassen können. Die erhebliche Menge von Schnittholz, die bei dieser Arbeit anfällt, wird zum Teil als organischer Dünger, in zerkleinerter Form, wieder in die Erde gebracht.